Kleine Schritte führen bis zum Gipfel
Tipps vom Bergprofi für Wandertouren im Gebirge

Imposant, erhaben, beeindruckend – und es gibt noch viel mehr Worte für das, was Menschen empfinden, wenn sie in die Berge kommen. Egal ob es die Alpen sind oder andere Gebirge, der Reiz ist groß, auch einmal dort oben zu stehen und das Gefühl zu genießen, dass einem die Welt zu Füßen liegt - oder zumindest dieses eine Tal. Doch es ist eine fremde Welt für diejenigen, die nur im Urlaub hierher kommen. Ein paar Tipps helfen, diese besondere Natur unbeschwert und vor allem gefahrlos genießen zu können.
Über Stock und vor allem über Stein

Eine Bergwanderung beginnt schon vor den ersten Schritten – mit guter Planung. „Man sollte auf die Karte schauen, wo genau der Weg entlangführt, wie schwierig er ist oder ob es Hindernisse gibt“, sagt Herbert Raffalt aus Schladming in der österreichischen Steiermark. „Wichtig ist auch, wie viele Höhenmeter zu bewältigen sind, und wie lange die Tour etwa dauern wird.“ Der 59-Jährige weiß genau, wovon er spricht: Er ist einer der bekanntesten Naturfotografen Österreichs und seit 30 Jahren als Bergführer - vor allem in der Dachstein-Region - unterwegs.

Ebenfalls wichtig: die Ausrüstung. Knöchelhohe Wanderschuhe mit guter Profilsohle sind unerlässlich. Für den Rest des Körpers gilt das Zwiebelprinzip: als erste Schicht ein Funktionsshirt, darüber Jacke oder Weste aus Softshell-Material. Die Beine stecken nach Möglichkeit in schnelltrocknenden Wanderhosen. „Jeans sind aus Baumwolle – wenn die feucht wird, trocknet sie nicht, sondern klebt an der Haut.“ Ein T-Shirt zum Wechseln macht den Aufenthalt am vielleicht windigen Gipfel angenehmer.
Und selbst wenn es im Tal sommerlich warm ist, weiter oben oder auf der Schattenseite eines Berges kann es frisch sein. Eine Wind- oder Regenjacke muss also mit, sie hilft verschwitzten Wanderern, nicht auszukühlen. „Oder es könnte ja auch sein, dass man sich den Fuß verknackst oder zum Liegen kommt, dann kann aus einer harmlosen Situation ganz schnell eine bedrohliche werden.“ Nun würde sich auch eine leichte Mütze bewähren. „Denn man verliert über den Kopf sehr viel Wärme“, weiß der Bergprofi.
Dann geht es los. Jetzt sind diejenigen im Vorteil, die schon vor dem Urlaub ein paar leichte Wanderungen unternommen haben. „Am besten plant man eine Stufe unter dem, was man zu leisten imstande ist“, sagt Raffalt. „Zu hoffen, dass man es schon irgendwie schaffen wird, ist der falsche Ansatz.“ Sich zu überschätzen, sei die größte Gefahr, meint er. „Die meisten Unfälle passieren, weil jemand schlicht keine Kraft mehr hat.“
Zuerst stehen also leichtere Touren mit wenigen Anstiegen auf dem Plan, langsam können die Anforderungen steigen. „Man muss ja auch sehen, wie sich der eigene Körper verhält, wenn es steiler wird.“

Ein entscheidender Tipp: Mit kleinen Schritten und in gemächlichem Tempo geht es leichter den Berg hinauf. Nasse Steine oder Wurzeln können zu Stolperfallen werden – egal in welche Richtung. „In schwerem Gelände sind deshalb Stöcke sinnvoll – nicht nur zum Anschieben, sondern auch zum Stützen.“
Ein Unsicherheitsfaktor in den Bergen ist das Wetter. „Auch wenn der Himmel zunächst strahlend blau ist, können sich zum Nachmittag hin Wärmegewitter bilden. „Dann kauert man sich am besten auf seinen Rucksack und wartet ab – aber auf keinen Fall unter einzeln stehenden Bäumen.“ Diese Gewitter sind lokal begrenzt und ziehen rasch ab. Sollte jedoch eine ganze Gewitterfront heranziehen, muss die Tour abgebrochen werden.
Kommt plötzlich Nebel auf, dienen die rot-weißen Wegmarkierungen an Bäumen oder Steinen als Rettungsanker. „Wenn man die nächste nicht sieht, kehrt man am besten zur letzten zurück, um genau zu sehen, wo der Weg verläuft.“
Ein aufgeladenes Handy ist Pflicht für alle Wanderer. „Der Akku kann schnell leer sein, vor allem, wenn es kalt ist oder man viele Fotos macht.“ Deshalb ist auch eine Landkarte hilfreich, wenn nämlich die mobile Navigation nicht mehr funktionieren sollte.
Im Rucksack wird auch noch Platz sein für Sonnencreme, ein paar Müsliriegel und eine Trinkflasche. „Ein halber Liter ist für einen ganzen Tag definitiv zu wenig“, meint der Bergführer. „Ein bis anderthalb Liter sollten es sein.“
In den Alpen gibt es jedoch an vielen Orten Trinkwasser direkt aus Bächen, Wasserfällen oder Quellen, um die Flaschen aufzufüllen.
Über kurz oder lang ist das Ziel erreicht, Fotos unterm Gipfelkreuz entstehen oder eine Hütte lockt zur Einkehr. Doch was danach kommt, darf nicht unterschätzt werden: der Abstieg. Er dauert unter Umständen länger als der Aufstieg, weil man die Schritte behutsamer setzen muss. Die Füße sollten möglichst gerade aufgesetzt werden, also mit den Zehen in Richtung Tal. Der Rücken ist leicht gebeugt – „wie eine Katze, die gleich springen will“, rät Raffalt. Das hilft, Stürze zu verhindern. Denn der Weg hinunter kostet erstaunlich viel Kraft und vor allem Konzentration.
Dennoch kann es vorkommen, dass Hilfe gebraucht wird. Dann ist es wichtig zu wissen, wo genau man ist. Und zu guter Letzt gibt der Bergprofi zu bedenken: „Sicher ist man erst, wenn man wieder unten angekommen ist.“ Konzentration ist also auch auf den letzten Metern gefragt.
Infos:
www.schladming-dachstein.de
www. Sommercard.info – ausgewählte Bergbahnen, Mautstraßen und andere Verkehrsmittel kostenlos; freier oder ermäßigter Eintritt zu vielen Attraktionen; bis 1. November 2023
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